Ein aktueller Bericht der neuseeländischen Transport Accident Investigation Commission (TAIC) liefert tiefgehende Erkenntnisse zu einem Hubschrauberunfall im Zusammenhang mit dem sogenannten Wirbelringzustand (Vortex Ring State, VRS). Dabei analysiert die Kommission insbesondere, wie aufsteigende Hangwinde und eine starke Nasenhochlage des Hubschraubers die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten dieses gefährlichen Flugzustands erhöhten.
Mangelnde Informationen für Piloten
Ein zentrales Ergebnis des Berichts ist die Feststellung, dass Piloten oft unzureichend über VRS und seine genauen Eintrittsbedingungen informiert sind. Die TAIC fordert daher, dass Hubschrauberhersteller ihre Flughandbücher überarbeiten und spezifische Angaben zur VRS-Grenze – abgestimmt auf das jeweilige Hubschraubermodell – aufnehmen. In Ermangelung dieser Informationen greifen Piloten häufig auf Faustregeln zurück, was das Risiko eines unbeabsichtigten Eintritts in den VRS bei Routineflügen erheblich erhöht.
Der Unfall auf dem Mount Pirongia
Der untersuchte Vorfall ereignete sich im September 2023. Ein Luftrettungshubschrauber des Typs Kawasaki BK117 B-2 stürzte bei einem Rettungseinsatz am Mount Pirongia auf der neuseeländischen Nordinsel ab. Trotz schwerer Beschädigung des Helikopters überlebten alle drei Insassen – der Pilot, ein Windenoperator und ein Notfallsanitäter – unverletzt.
Der Hubschrauber befand sich im Sinkflug an der windzugewandten Seite eines Bergrückens, um einen verletzten Wanderer mithilfe der Winde zu retten. In etwa 91 Metern Höhe kam es plötzlich zu einem rapiden Höhenverlust, der dem Piloten kaum Zeit zur Reaktion ließ.
VRS – ein gefährliches aerodynamisches Phänomen
Die Ermittlungen ergaben, dass der abrupte Sinkflug auf den Eintritt in den VRS zurückzuführen war. Dieser Zustand tritt typischerweise bei geringen Vorwärtsgeschwindigkeiten und bestimmten Sinkraten auf, wenn die Luftströmung durch den Hauptrotor instabil wird und ein torusförmiger Wirbel entsteht. Dadurch bricht der Auftrieb schlagartig ein – ein gefährlicher Zustand, der ohne sofortige Gegenmaßnahmen zum Absturz führen kann.
Piloten lernen in der Regel zwei Verfahren zur Erholung aus dem VRS: die traditionelle Methode mit Vorwärtssteuerung (Cyclic nach vorne) und Leistungsminderung sowie die Vuichard-Methode, die auf seitliche Steuerung, Leistungssteigerung und eine angepasste Pedalsteuerung setzt. Letztere führt meist zu geringerem Höhenverlust.

Entscheidende Sekunden und erschwerende Umstände
Der erfahrene Pilot des Unfallhubschraubers – ein ehemaliger Ausbilder der US-Armee mit über 7.000 Flugstunden – erkannte laut Bericht typische Anzeichen für VRS, darunter eine verminderte Reaktion der Steuerungselemente. Zunächst versuchte er die klassische Erholungstechnik, wechselte dann jedoch zur Vuichard-Methode, als klar wurde, dass nicht genug Höhe für eine vollständige Erholung zur Verfügung stand. In letzter Sekunde versuchte der Pilot, den Aufprall durch eine kontrollierte Landung in der Baumkrone abzumildern. Die Überlebensfähigkeit der Besatzung wird dem crashsicheren Design des BK117 zugeschrieben.
Einfluss von Wind, Pitch und Helikoptertyp
Ein zentrales Problem war, dass der Pilot sich auf eine Faustregel stützte, die nicht das spezifische Flugverhalten des BK117 berücksichtigte. Ausschlaggebend für den Eintritt in den VRS ist jedoch vor allem die sogenannte Diskbelastung – das Verhältnis von Gewicht zur Rotorfläche. Hubschrauber mit höherer Diskbelastung (wie der BK117) treten später in den VRS ein als Modelle mit geringerer Diskbelastung (z. B. Bell JetRanger).
Darüber hinaus beeinflussen äußere Faktoren wie Hangaufwinde und ein steiler Anflugwinkel (Nasenhochlage) die tatsächliche Luftströmung durch das Rotorsystem – und damit den effektiven Eintrittspunkt in den VRS. Der Bericht beschreibt, wie der Hubschrauber durch diese Kombination aus Wind, Fluglage und Fluggeschwindigkeit etwa vier Sekunden früher in den VRS geriet als unter normalen Bedingungen.
Analyse mit Expertenhilfe
Zur genauen Rekonstruktion des Vorfalls arbeitete die TAIC mit dem Luftfahrtexperten Richard Brown von Sophrodyne Aerospace zusammen. Er berechnete, dass der Hubschrauber unter idealisierten Bedingungen bei einer Sinkrate von 320 m/min und 33 km/h Geschwindigkeit in den VRS eingetreten wäre. Tatsächlich zeigten Flugdaten jedoch, dass aufgrund der Windverhältnisse, einer kurzzeitigen Richtungsänderung (die zu Rückenwind führte) und der ausgeprägten Nasenhochlage der Eintritt bereits bei deutlich geringeren Sinkraten und leicht höherer Geschwindigkeit erfolgte – exakt zum Zeitpunkt des plötzlichen Höhenverlusts.
Fazit und Ausblick
Der TAIC-Bericht macht deutlich, dass VRS ein unterschätztes Risiko darstellt, insbesondere wenn Piloten sich auf verallgemeinerte Faustregeln verlassen. Die Behörde empfiehlt dringend, flugzeugspezifische VRS-Grenzwerte in die Handbücher aufzunehmen und Piloten besser über Einflussfaktoren wie Wind und Fluglage aufzuklären.
Der Unfall zeigt eindrücklich, dass in komplexen Einsatzszenarien – wie in der Bergrettung – wenige Sekunden und kleine Umweltveränderungen den Unterschied zwischen sicherem Flug und Absturz ausmachen können.