Im November 2016 hat der deutsche Bundesrat entschieden, dass UL-Hubschrauber in Deutschland betrieben werden dürfen. Ein Tag, auf den der Hersteller edm aerotec aus dem thüringischen Geisleden lange gewartet hat. Richtig freut man sich dort seit Sommer 2017: denn inzwischen wurde die erste Maschine verkehrszugelassen.
Für die Drehflügelbranche bedeutete die Nachricht im vergangenen Jahr so etwas wie Familienzuwachs. War bisher der VLR-Hubschrauber das kleinste Mitglied der Familie, geht es ab sofort noch kleiner bzw. leichter. Unterhalb des very light existiert nun auch ein ultra light. Doch um die Leichtigkeit zu steigern und auszureizen, sind große Hürden zu überwinden. Denn wer Gewicht sparen und trotzdem noch zwei Personen in die Luft befördern will, der kommt um eine ultraleichte Bauweise, die aber trotzdem genügend Sicherheit garantieren muss, nicht herum.
Ehemalige Ingenieure des Hubschrauberbauers Kamov spendierten dem Coax 2D die notwendige DNA, die diesen UL-Hubschrauber nicht nur einfacher und stabiler fliegen lässt, sondern auch noch bis zu 20% zusätzliche Leistungsreserven bereitstellt, die sonst für einen Heckrotor bestimmt wären. Doch das Übereinanderlegen von zwei gegenläufigen Rotorebenen ist alles andere als trivial. Vor allem ist es der Abstand der beiden Ebenen auf dem Rotormast zueinander. Zehn Prozent des Rotordurchmessers soll der Abstand der Ebenen betragen. Hier wollte man keine Experimente wagen und hielt sich an die Erfahrung von Kamov.
Kompromisslos leicht
Wohl aber gab das Projekt genügend Anlass, eigene Entwicklungsarbeit zu leisten. Um auf die geforderten 450kg MTOW zu kommen, war guter Rat teuer. Der Anteil von Kohlefaserverbundbauteilen wurde deshalb gesteigert. Tragende und sicherheitsrelevante Teile sind aus Luftfahrtaluminium gefertigt und auch nicht etwa geklebt, sondern stabil genietet. Ebenfalls keine Kompromisse wollte man beim Rotorsystem eingehen. Die beiden Taumelscheiben liegen oberhalb des Getriebes und knapp über dem unteren Rotor. Die untere Swashplate steuert dabei direkt die obere an, Steuerstangen übertragen den Einstellwinkel der Scheiben auf die 3,25 Meter langen Rotorblätter aus Karbon.
Auch wenn es im UL-Segment nicht gefordert ist, besitzt edm Aerotec die Zertifizierung ISO 9100 der Luftfahrtindustrie. Mit dieser Expertise ist das Unternehmen gefordert, auch seine Zulieferer regelmäßig zu auditieren und auf diese Weise sicherzustellen, dass fremdgelieferte Materialien den Vorgaben entsprechen.
Und wie fliegt sich der Coax 2D?
Wir wollten es genau wissen und haben den Zweisitzer in seiner Heimat besucht. Andreas Spiering ist ROTORBLATT-Redakteur und Rettungshubschrauberpilot. Auch wenn er sonst deutlich schwerere Zweiturbinen-Helikopter in die Luft hebt, war es für ihn etwas Besonderes, als es im Coax 2D für ihn hieß: The aircraft is yours. Seine Eindrücke schildert er nach dem Flug so: Praktisch ist das Handling am Boden mit den andockbaren Rädern, denn der Hubschrauber ist so leicht, dass man ihn alleine bewegen kann. Vor dem Flug ist ein normaler Außencheck vorzunehmen. Dafür gibt es eine Checkliste, die nicht wirklich kompliziert ist.
Die Drehzahl- und Temperaturanzeigen reagierten prompt und es besteht keine Gefahr, hier etwas zu übersehen. Die Motorsteuerung erfolgt übrigens über einen Governor, der die Drehzahl automatisch regelt. Nur ab und zu muss man als Pilot unterstützen, wenn man dem Grenzbereich nahe ist.
Das Fliegen eines Koax-Hubschraubers ist überraschend für jemanden, der sonst nur schweres Gerät mit Heckrotor gewöhnt ist. Das Rotorsystem gleicht das Drehmoment bereits in sich aus. Mit den Pedalen ist nur noch der Seitenwind auszugleichen oder im Kurvenflug die Koordination zu halten. Aber: reicht die Steuerung des hinteren Seitenruders durch die Pedale allein aus, um eine Kurve oder Drehung einzuleiten? Mitnichten. Durch eine im Rotormast innenliegende Steuerstange werden die Pedaleingaben auch an den oberen Rotor übertragen. Dort werden Veränderungen des Blatteinstellwinkels um nur 0,1 Grad bewirkt, was dazu führt, dass sich der UL-Hubschrauber aufgrund des ungleichen Widerstandes der Rotorebenen zu drehen beginnt. Wer von Ihnen noch eine alte UH 1-D fliegen durfte, wird vom Coax 2D begeistert sein. Denn die Vibrationen im Takt der Rotorumdrehungen werden eins zu eins an den Stick übertragen. Alte Erinnerungen werden wach. Es bedeutet aber auch: bei dem Coax 2D spürt man den Hubschrauber wirklich hautnah – unter, über und auch hinter sich.
Dieser Artikel ist in voller Länge in der Ausgabe 3/2017 von ROTORBLATT – Deutschlands führendem Helikopter-Magazin zu lesen.
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