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StartROTOR FlugunfälleHeckrotorausfall nach Montagefehler: Notlandung eines Bell 214ST

Heckrotorausfall nach Montagefehler: Notlandung eines Bell 214ST

Der Unfallflug

Am 7. Juni 2021 befand sich der Bell 214ST C-GDYZ von Helicopter Transport Services (HTS) auf dem Rückflug von einem Feuerwehreinsatz. Der allein an Bord befindliche Pilot verfügte über 8400 Flugstunden, davon 1940 auf diesem Muster. Der Hubschrauber führte einen 550-Gallonen-Faltbehälter an einer 150-Fuß-Lastleine mit sich und hatte zuvor rund 45 Löschwasserabwürfe durchgeführt. Kurz vor dem Rückflug meldete der Pilot dem Flugleiter im Spotterflugzeug, dass sein Dienstende naht und der Kraftstoff zur Neige gehe. Auf dem Rückweg zur Basis flog der Hubschrauber auf 3000 Fuß über dem Meeresspiegel, etwa 1600 Fuß über Grund, mit etwa 70–74 Knoten. Aufgrund des leeren Wassereimers befand sich der Helikopter in einer leicht kopflastigen Fluglage (ca. 7° Neigung nach unten).

Plötzlicher Ausfall des Heckrotors

Während des Flugs bemerkte der Pilot Vibrationen in den Pedalen und ein mahlendes Geräusch. Kurz darauf leuchteten die Warnleuchten für den Öldruckausfall beider Heckrotorgetriebe („42° BOX OIL PRESS“ und „90° BOX OIL PRESS“), begleitet von einem deutlich hörbaren Motorüberschwingen. Der Hubschrauber begann, unkontrolliert nach rechts zu gieren, und die Nase neigte sich weiter nach unten.

Der Pilot leitete eine Autorotation ein, senkte den Kollektivhebel und zog den Steuerknüppel zurück, um die Rotordrehzahl zu erhöhen. In der Drehbewegung löste er manuell die Lastleine samt Wasserbehälter. Über Funk setzte er einen Mayday-Ruf ab und meldete den Verlust der Heckrotorkontrolle.

Notlandung unter schwierigsten Bedingungen

Während des Sinkflugs mit 1000 bis 1500 Fuß pro Minute versuchte der Pilot mehrmals, mit Triebwerksleistung die Richtung zu steuern, um eine Landung nahe eines kleinen Sees zu ermöglichen. Durch den Luftstrom auf das Seitenleitwerk konnte er die Drehung etwas kontrollieren.

Kurz vor dem Erreichen der Baumhöhe hob der Pilot den Kollektiv, um die Landung abzufedern. Dabei ertönte der Warnton für eine zu geringe Rotordrehzahl. Um 19:24 Uhr setzte der Hubschrauber mit fast keiner Vorwärtsgeschwindigkeit in weichem, sumpfigem Gelände auf. Obwohl beide Sitze mit Schultergurten ausgestattet waren, trug der Pilot diesen nicht, da er ihn beim Arbeiten mit dem Ausblick durch das Lastflugfenster als hinderlich empfand.

Technische Untersuchung der TSB

Die Untersuchung ergab, dass sich der Heckrotor beim Aufprall nicht drehte – ein klares Zeichen für einen Ausfall des Antriebsstrangs. Das Flughandbuch des Bell 214ST beschreibt das Verhalten bei Ausfall des Heckrotors: Rechtsgier, Rollbewegung und ein starkes Kopfnicken – beeinflusst durch Geschwindigkeit, Schwerpunktlage, Leistung und Luftdichte.

Laut TSB hatte der Pilot korrekt auf den Verlust des Heckrotorschubs reagiert, doch eine normale Landung mit Auslauf war aufgrund des Geländes unmöglich.

Ursache: Montagefehler im Antriebsstrang

Der Heckrotorantrieb des Bell 214ST besteht aus sechs Wellensegmenten, vier Aufhängungen, drei Kupplungsbaugruppen, fünf Scheibenbaugruppen sowie zwei Getrieben (ein Zwischengetriebe bei 42° und ein Endgetriebe bei 90°). Diese Getriebe verfügen über eigene Ölversorgung und Überwachungssysteme.

Die Ermittler fanden die Kupplung Nr. 2 (Bauteil 15) vom gekrönten Zahnkupplungsstück (Bauteil 16) gelöst. Eine Halterung (Sicherungsring, Bauteil 11), die das Kupplungssystem fixieren sollte, war lose im Rumpfbereich aufgefunden worden. Der zugehörige Dichtungshalter (Bauteil 12) hatte sich gelöst und befand sich ebenfalls ungesichert zwischen Getriebe und Lagerhalter.

Wartung im Fokus: 10 Stunden nach Service versagte das Bauteil

Die betroffene Kupplung war im November 2015 eingebaut worden und hatte zum Unfallzeitpunkt 1250 Betriebsstunden absolviert – davon nur etwa 10 seit der letzten Wartung. Diese erfolgte im April 2021 im Rahmen der Wiederinbetriebnahme nach Ankunft in Kanada. Alle drei Kupplungseinheiten wurden damals vom selben Luftfahrtmechaniker demontiert, gereinigt, geschmiert, überprüft und wieder eingebaut. Eine zweite Person führte gemäß Vorschrift eine „Dual Control Check“ (DCC) – eine unabhängige Sichtprüfung – durch.

Jedoch ging die Untersuchung nicht weiter auf den genauen Ablauf oder mögliche Fehler bei dieser Prüfung ein. Die TSB wies lediglich darauf hin, dass der verwendete Wartungsplan keine gezielte Sichtprüfung der Kupplungseinheiten im Rahmen der täglichen Inspektion vorsah.

Einfache Fehler – schwerwiegende Folgen

Die TSB zitierte aus einem Airworthiness Notice von Transport Canada, das hervorhebt:
„Die häufigsten Fehler in Steuerungssystemen sind simpel – sie beruhen auf Ablenkung, fehlerhaften Annahmen und dem Übersehen offensichtlicher Details.“

Diese Warnung richtet sich an Wartungspersonal und betont die Bedeutung von Sorgfalt auch bei vermeintlich einfachen Aufgaben.

Der Bericht merkte jedoch kritisch an, dass dieser Idealismus verkennt, dass nicht alle Inspektionsfehler auf Unachtsamkeit zurückzuführen sind. Bauteile wie Sicherungsringe sind mitunter schwer einsehbar – hier wären Inspektionshilfen oder Messwerkzeuge angebracht gewesen. Leider wurden solche Mittel nicht eingesetzt oder vorgeschrieben.

Sicherheitsmaßnahmen des Betreibers

HTS reagierte nach dem Zwischenfall mit mehreren Maßnahmen:

  • Sofortige Überprüfung aller drei weiteren Bell 214ST in der Flotte auf korrekte Montage des TRDS.
  • Erweiterung der täglichen Inspektion um den Zugang zu einem zusätzlichen Panel, um Kupplung Nr. 2 und angrenzende Bauteile sichtbar zu machen.
  • Ergänzung des Musterberechtigungskurses um ein 5-seitiges Merkblatt mit Fokus auf die Kupplungsinspektion und Erinnerung an unabhängige DCC-Prüfungen.
  • Ein Rundschreiben an alle Piloten mit Hinweisen zum Verhalten bei Ausfall des Heckrotors bei Reisegeschwindigkeit.
  • Erweiterung der Bodenschulungen zu Notverfahren um Training zu „Loss of Tail Rotor Effectiveness“ und vollständigem Verlust des Heckrotorantriebs.

Die Empfehlungen der TSB hinsichtlich besserer Sichtprüfungshilfen oder Messwerkzeuge wurden allerdings nicht umgesetzt.

Rückblick: C-GDYZs lange Vorgeschichte als G-BKFN in Großbritannien

Die betroffene Maschine war zuvor als G-BKFN im Einsatz, sie war der letzte Bell 214ST im Offshore-Betrieb Großbritanniens. Bereits drei frühere Vorfälle führten in den 1980er und 1990er Jahren zu Untersuchungen durch die britische AAIB:

  • 1985: Notlandung in Balmedie wegen Versagens einer Hauptrotorblatt-Strebenverstärkung infolge von Korrosion.
  • 1986: Notwasserung nordöstlich von Fraserburgh nach Kontrollverlust durch gelöste Muttern in der Kollektivsteuerung. Dabei versagte ein Rettungsfloß teilweise.
  • 1990: Umleitung wegen Vibrationen. Rissbildung im Bereich eines früheren Reparaturbereichs – infolge fehlerhafter Nietarbeiten.
BCal Bell 214ST G-BKFN kurz nach der Notwasserung nordöstlich von Fraserburgh am 15. Mai 1986 (Foto: RAF Shackleton über AAIB)

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