Im brasilianischen Recht umfasst der Begriff „Lufttaxi“ eine Reihe verschiedener Arten von Flügen. Neben der Personenbeförderung, Sightseeing-Flügen und ausführendem Verkehr gehören auch Inspektionen von Überlandleitungen und Ölpipelines, Luftbildaufnahmen, Brandbekämpfung, die Luftrettung, Radio- und Fernsehübertragungen aus der Luft sowie auch Werbebannerschlepp, externer Lastenflug und Hilfe für abgelegene Gemeinden und Landarbeit in dieselbe Kategorie.
Um den Markt für Hubschrauber-Lufttaxis in der Stadt São Paulo zu verstehen, ist es zunächst notwendig, die Realität dieser zweifellos einzigartigen Stadt kennenzulernen. In jeder Hinsicht könnte São Paulo leicht als ein Land betrachtet werden. Mit seinen 1.500 Quadratkilometern ist es fast doppelt so groß wie Berlin und etwa sechsmal so groß wie Frankfurt am Main. Mehr als 12 Millionen Menschen leben in der Stadt und teilen sich den Raum mit 7,2 Millionen Autos, Lastwagen und Bussen. Es werden 8 Millionen Menschen mit dem Bus und weitere 8 Millionen in Zügen und U-Bahnen transportiert – jeden Tag. Das entspricht quasi der vollständigen Evakuierung von ganz Paris und Mailand an einem einzigen Tag mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Darüber hinaus gibt es 468 km Radwege. Die Geografie und die Infrastruktur der Stadt machen São Paulo jedoch zu einem der schlimmsten Verkehrsstaus der Welt. Die Menschen leben in den meisten Fällen in Regionen, die nicht in der Nähe ihres Arbeitsplatzes sind, und zwingen Reisen von 90 bis 180 Minuten, um zur Arbeit oder zurück nach Hause zu kommen. Das Fehlen einer geeigneten ÖNV-Struktur zwingt viele Einwohner dazu, ihre Autos zu benutzen, was zu Staus führt, die an einem einzigen Tag bereits 393 km oder fast die Strecke zwischen Paris und London erreichen.
Weltweit bekannte Hubschrauber-Stadt
Neben all diesen Negativmerkmalen hat São Paulo jedoch eine durchaus einmalige Besonderheit, nämlich die weltweit größte Flotte von Hubschraubern – glaubt man der brasilianischen Vereinigung der Hubschrauberpiloten (ABRAPHE), so sind es 411, und diese verdrängen sogar New York und Tokio auf die Plätze 2 und 3. Im Vergleich dazu hat der gesamte Bundesstaat Rio de Janeiro rund 452 Hubschrauber.
Apropos tägliche Bewegungen: alle 45 Sekunden landet ein Hubschrauber in São Paulo. Heute hat die Stadt 16 Lufttaxiunternehmen, vier Heliports (zwei außerhalb der Stadt São Paulo), drei Flughäfen (zwei in der Stadt São Paulo) und 214 Helipads. Der gesamte Betrieb wird im Wesentlichen vom Flughafen Congonhas kontrolliert.
In seinem modernen, Ende 2013 eingeweihten Kontrollturm ist das Helicontrol untergebracht. Das ist ein Radar-Kontrollsystem speziell für Hubschrauber, das alle Flüge in einem 102 Quadratkilometer großen Gebiet steuert. Die Lotsenarbeit mit Hubschraubern gilt nicht ohne Grund als intensiv, denn sie folgen selten einer festen Route und starten und landen mitten in der Stadt. Allein in dem kleinen Stadtteil, der durch die Avenuen Paulista, Morumbi, Brigadeiro Faria Lima und Ingenieur Carlos Berrini begrenzt ist, gibt es schon 167 Helipads mit einer Aufzeichnung von 300 Bewegungen pro Tag. Auch wenn es vor der Krise im Jahr 2014 noch 2.000 bis 2.200 Flugbewegungen waren, summieren sich aktuell alle Hubschrauberflüge auf 1.200 Bewegungen – pro Tag wohlbemerkt.
Allein für Piloten generiert der Hubschraubertaxi-Sektor mehr als 1.000 direkte Arbeitsplätze. Die Anbieter werden bei jedem Flug hinsichtlich der Einhaltung von Flugdienst- und Ruhezeiten durch ANAC, die brasilianische Luftfahrtbehörde, überwacht.
Mit einem Lufttaxi über São Paulo zu fliegen ist nicht jedem möglich. Die Stundenkosten eines kleineren einmotorigen Hubschraubers liegen zwischen 800 und 900 US-Dollar in einem Land, in dem die Landeswährung 3,2-mal gegenüber dem Dollar abgewertet wird. Je nach Modell, Größe und Luxus des Kunden können die Kosten pro Flugstunde bis zu 17.500 US-Dollar betragen! Aber wenn Geld keine Rolle spielt, kann der Kunde frei unter einer Vielzahl von Hubschrauberlandeplätzen auf den Dächern von Hotels oder auch Geschäftshochhäusern wählen. Abhängig vom Wochentag und den Wetterbedingungen kann ein Helipad bis zu 20 Bewegungen am Tag registrieren, wobei der Durchschnitt bei fünf bis sieben Landungen liegt.
Dieser Artikel ist in voller Länge in der Ausgabe 1/2018 von ROTORBLATT – Deutschlands führendem Helikopter-Magazin zu lesen.
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