Seniorleutnant Kateryna – von allen nur Katya genannt – ist die einzige Frau unter den Kampfhubschrauberpiloten der Ukraine. Mitten im russischen Angriffskrieg startet sie ihre Einsätze von einem vorgeschobenen Stützpunkt im Osten des Landes, Seite an Seite mit Dutzenden männlichen Kameraden. Ihre blonde Haarfarbe? Für sie völlig nebensächlich. „Die Jungs wollen sich oft als Helden inszenieren und mich beschützen“, erzählt sie im Interview. „Aber ich bin nicht hier, um das ‚Mädchen‘ zu sein. Irgendwann wird unsere Armee das verstehen.“
30 Einsätze und kein Platz für Klischees
Seit September 2024 hat Katya über 30 Einsätze absolviert, nicht einer drehte sich darum, wie sie aussieht. Sie fliegt als Copilotin und Navigatorin eine Mi-8, einen der vielseitigsten Militärhubschrauber der Ukraine. Schon als Kind wusste sie, dass sie fliegen will. Im Alter von zehn Jahren saß sie zum ersten Mal in einem Hubschrauber, auf jenem Luftwaffenstützpunkt, auf dem ihr Vater diente. „Es war laut und beängstigend, aber ich wusste sofort: Ich will das fliegen“, erinnert sie sich.

„Was machst du hier? Das ist nichts für Mädchen.“
Der Weg ins Cockpit war für Katya kein einfacher. Mit 16 begann sie ihr Studium an der Nationalen Luftwaffenuniversität in Charkiw. Dort wurde sie nicht gerade mit offenen Armen empfangen. „Was machst du hier? Das ist nichts für Mädchen“, fragte ein Dozent gleich zu Beginn. Doch eine engagierte Fluglehrerin glaubte an sie und das reichte ihr, um dranzubleiben.
Fliegen unter Beschuss
Ein typischer Einsatztag beginnt früh. Katya flechtet ihr blondes Haar in zwei enge Zöpfe, die sich über den Kopf und die Schultern legen. „Damit es mich nicht stört“, sagt sie. Ihre Einsätze führen sie gefährlich tief über ukrainisches Kriegsgebiet – nur etwa 10 bis 14 Meter über dem Boden. Besonders risikoreich: Ihre Rolle im sogenannten „Funkrelais-Hubschrauber“, der etwas höher fliegt als die zwei Angriffshubschrauber davor und dadurch stärkerer Gefahr ausgesetzt ist.
„Während des Flugs bin ich völlig ruhig“, beschreibt Katya ihre innere Haltung. „Die schweren Gedanken kommen davor oder danach, aber im Flug ist mein Kopf frei.“

Zwischen Zerstörung und Schönheit
Die Perspektive aus der Luft konfrontiert Katya täglich mit der Realität des Krieges. „Ich fliege über mein Land und sehe, wie schön es ist – und dann, an der Front, wie alles zerstört ist. Und ich frage mich: Wie sind wir im 21. Jahrhundert hierhergekommen?“
„Ich wünsche mir mehr Frauen in der Luft“
Trotz aller Hindernisse wünscht sich Katya eines: mehr Frauen im Cockpit. In ihrer Flugschule war sie „die einzige unter 45 Männern“. Zwar hat die ukrainische Armee seit Beginn der russischen Invasion 2022 die Zahl weiblicher Rekrutinnen deutlich gesteigert, um 20 Prozent –, doch nur rund 5.500 der aktuell 70.000 Soldatinnen sind in Kampfpositionen eingesetzt.
Katya bleibt eine Pionierin, mit klarem Blick, starker Stimme und unerschütterlichem Willen. Nicht, weil sie eine Frau ist. Sondern weil sie fliegt.