(Autor: Tomas Kika)
Es ist nicht sehr schwer, sich in die BK117-D2 auf den ersten Blick zu verlieben. Es ist das modernste Stück Hubschraubertechnik, das seit 2015 den Himmel von Süd Tirol erobert hat. Bei Süd Tirol, das auch unter seinem eigentlichen italienischen Namen Alto Adige bekannt ist, handelt es sich um eine eigenständige Provinz im Norden Italiens – etwa 7.400 Quadratkilometer groß, mit mehr als einer halben Million Einwohnern.
Es war das Jahr 1985, als im damaligen Sommer der Bruder des legendären Bergsteigers Reinhold Messner in den Dolomiten von einem Blitz getroffen und ernsthaft verletzt worden war. Erst nach sehr langer Zeit konnte er von vier Angehörigen einer militärischen Einheit gerettet und in ein Krankenhaus gebracht werden. Der Patient hat die lange Zeit bis zur ersten medizinischen Versorgung leider nicht überlebt. Dieser Zwischenfall hat damals ein großes Medienecho ausgelöst und eine Diskussion über die Stationierung eines eigenen Rettungshubschraubers in einem der begehrtesten Tourismusgebiete Europas entfacht.
Die Zusammenarbeit mit der örtlichen Bergwacht führte in der Folge rasch zu Tests verschiedener Hubschraubermuster. Schon ein Jahr später wurde in Bozen eine französische Alouette 3 (SA-316) mit dem Rufnamen „Pelikan“ stationiert. Ein weiteres Jahr verging und schon zwei Hubschrauber vom Typ SA-319 flogen ihre Einsätze in den Regionen Bozen und Brixen, erstmals sogar ganzjährig. So, wie sich der Tourismus in Süd Tirol weiterentwickelte, stiegen auch die Anforderungen an die Hubschrauber immer weiter. Über AS350, AS365 und schließlich BK117 und bald dem dritten Luftrettungsbetreiber in der Region „Aiut Alpin Dolomites“ formte sich ein ganz neues Netzwerk der örtlichen Luftrettung.
Besuch beim Pelikan
Sowohl „Pelikan 1“ als auch „Pelikan 2“ werden seit 2015 von Babcock Mission Critical Services (MCS) Italien betrieben. Das bedeutet ein etwas komplexes Gebilde: die beiden Luftfahrzeuge, die Wartung, die Versicherung und das „Cockpit“, also die Piloten, und auch die Techniker kommen alle von Babcock Italien, während die medizinische Crew in der Kabine hinten vom italienischen weißen Kreuz gestellt werden. Der Betrieb und das Management der beiden Luftrettungsstationen in Bozen und Brixen wiederum liegt bei der HELI Flugrettung.
„Das ist die BK117-D2, das ist die Zukunft der Luftrettung, würde ich mal sagen“, begrüßt uns Mario Zulian, der in den kommenden Tagen als Crew-Captain Dienst hat. Als nächstes führt uns Mario in ein kleines Büro und zeigt auf eine Waage, die wir einzeln nacheinander besteigen sollen. Eine Waage? „Das hat nichts mit Euch persönlich zu tun“, erkärt Mario. „Dieses Prozedere gilt für jeden von uns! In den Bergen zählt jedes Kilo.“ Die Zahlen, die nun im Display der Waage erscheinen, trägt er am Computer in eine Excel-Tabelle ein, woraufhin sich die Weight & Balance leicht verändert.
Die erste Alarmierung
Alarm um kurz nach halb neun. Die großen, schweren Hangartore öffnen sich und die gelbe H145 wird herausgefahren, während HEMS TC Martin Pichler die Einsatzkoordinaten über Funk erhält. Die Abläufe sind so routiniert eingespielt: Hochfahren der Triebwerke, der Rotor dreht an, Türen schließen, Anschnallen und schon kurz danach wird die Basis mit dem angrenzenden Krankenhaus während des CAT A-Takeoffs immer kleiner.
Nach einer Steilkurve über einer kleinen Berghütte an der Lahner Alm erblicken wir drei Personen mit einer Liegenden auf einem kleinen Schneefeld umringt von Felsen. Nach nur zwölf Minuten Flugzeit erfolgt schon die abgestützte Hanglandung in sicherer Entfernung zur Gruppe, aber immerhin noch nah genug, dass der Notarzt und Rettungsassistent mit dem Rucksack und dem tragbaren Kreislaufmonitor herausspringen und auf kurzem Wege zum Patienten gelangen können. Während der Hubschrauber sich eine geeignete Stelle für eine Landung auf einem Plateau sucht und der Pilot dann auch die Triebwerke abstellt, beginnt die Untersuchung des Patienten: 60 Jahre alt, ohne äußere Verletzungen und ohne messbaren Kreislauf. Der nun angeschlossene Monitor bestätigt das. Während Doktor Senoner die Atemwege des Patienten frei macht und die Intubation vorbereitet, befragt sie den anwesenden Sohn des Verletzten nach besonderen Vorkommnissen und Vorerkrankungen. Währenddessen läuft die Reanimation durch einen anderen herbeigeeilten Mann aus der Berghütte weiter, inklusive einer intravenösen Gabe von 1mg Adrenalin durch den Rettungsassistenten.

Da es nie zu wenig Hände bei einer Reanimation geben kann und ich selbst ausgebildeter HEMS Rettungsassistent bin, lege ich die Kamera weg und übernehme die Rea mit dem Kampf um ein Leben in zweitausend Metern Höhe zwischen verschneiten Felsen.
Nach der Gabe von zwei Elektroschocks, insgesamt 2mg Adrenalin in der Vene und permanenter Reanimation zeigt der Monitor ganz leichten Herzrhythmus und wir beeilen uns, den Patienten transportfertig zu machen. Pilot Zulian sagte noch, dass es unter Null Grad draußen sei, davon spüren wir aber in der Aufregung und unter den Anstrengungen gar nichts. Der Sohn muss die Hand seines Vaters mit Tränen in den Augen loslassen, als dieser nach Gabe von 10mg des Beruhigungsmittels Midazolam und unter Beatmung in den Helikopter geschoben wird. Dank der großen Hecktüren der H145 ist das in diesem Einsatzgelände kein großes Unterfangen. „Ready?“ fragt der Pilot noch, als auch schon die beiden Triebwerke nacheinander hochfahren. Keine 27 Minuten später setzen wir auf dem Helipad des Bozener Krankenhauses auf. Und weitere zwei Tage später erreichte uns nachträglich die Nachricht, dass der Patient nach einem diagnostizierten Arterienverschluss ohne neurologischen Ausfall bei Bewusstsein und auf dem Weg der Besserung ist. Ohne die sofortige Laien-Reanimation vor Ort, das schnelle Eintreffen mit dem Hubschrauber und die Einleitung der medizinischen Anschlussmaßnahmen wäre das Ergebnis sicher ein anderes gewesen.
Dieser Artikel ist in voller Länge in der Ausgabe 1/2019 von ROTORBLATT – Deutschlands führendem Helikopter-Magazin zu lesen.
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